Demenz-WG ab Oktober bezugsfertig

Marburg. Laut der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft sind rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt. Etwa 3 000 sind es in Marburg und dem Landkreis. „Wir gehen davon aus, dass es im Landkreis etwa  1 500 Demenz-Erkrankte gibt und etwa nochmal genauso viele in der Stadt Marburg“, sagt Angela Schönemann von der Alzheimer-Gesellschaft Marburg-Biedenkopf. Die Gesellschaft vermutet aber, dass die Dunkelziffer höher ist, da die Erkrankung in einem frühen Stadium noch unauffällig und somit bei vielen noch nicht diagnostiziert ist.


70 Prozent der Betroffenen werden zu Hause gepflegt

In Stadt und Landkreis gibt es für Demenz-Erkrankte und ihre Angehörige vielfältige Angebote (siehe Infos am Ende des Textes). „Es sind aber  noch zu wenige Angebote“, findet Schönemann. Wenn man wie die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft davon ausgeht, dass in Zukunft immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen und somit die Zahl der Erkrankten künftig weiter ansteigen wird, kann es wohl gar nicht genug Angebote geben.

Dennoch werden, nach Einschätzung Schönemanns,  etwa 70 Prozent der Demenz-Erkrankten in Stadt und Landkreis zu Hause von ihren Angehörigen betreut und gepflegt. Doch an welcher Art der Demenz die Patienten auch immer leiden, in einem Bereich gleichen sich die Schwierigkeiten im Verlaufe der Erkrankungen grundsätzlich: Ist ein gewisses Stadium erreicht, ist professionelle Betreuung bei Demenz unerlässlich.

Seit Herbst vergangenen Jahres entsteht ein Betreuungsangebot in der Weintrautstraße, das es in dieser Form in der Stadt noch nicht gab: eine Wohngemeinschaft für Demenz-Erkrankte.

Hintergrund: 2012 hatte die Stadt beschlossen, das dortige Gelände an einen privaten Bauträger zu verkaufen – unter der Bedingung, dass dort eine komplette Erdgeschoss-Etage von 360 Quadratmetern für ein Pflegeobjekt erstellt und dauerhaft an einen Träger vermietet werden soll. Auf Beschluss des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung wurde schließlich die Bürgerinitiative Sozialpsychiatrie mit der Projektträgerschaft für das Pflegeobjekt beauftragt.

In einem der fünf Appartementhäuser, die von der Germanenplatz GbR gebaut werden, wird die Bürgerinitiative nun eine ganze Wohnetage mieten und dort eine Wohngemeinschaft für insgesamt neun Demenz-Erkrankte einrichten. Jeder von ihnen erhält ein Zimmer, das nach den individuellen Wünschen, zum Beispiel mit persönlichen Bildern oder eigenen Möbeln, gestaltet werden kann.


„Der Schwerpunkt liegt deutlich auf dem individuellen Wohnen. Trotz der Einschränkung durch die Demenz-Erkrankung soll in der Wohngemeinschaft ein möglichst normales familienähnliches Leben für die Bewohner ermöglicht werden“, erklärt Thomas Dimroth von der Bürgerinitiative Sozialpsychiatrie (Foto: Ruth Korte).

Als Projektmanager hat er in den vergangenen zwei Jahren nicht nur das Konzept mitentwickelt, sondern auch zusammen mit dem Bauherrn am Grundriss der Wohnung gearbeitet. Um die Gemeinschaft unter den Bewohnern zu fördern gibt es in der WG neben den neun Einzelzimmern von jeweils etwa 15 Quadratmetern auch einen Gemeinschaftsraum und eine Wohnküche, in der zusammen gekocht und Zeit verbracht werden kann. „Es ist ein bisschen so wie in einer Studenten-WG“, sagt der 61-Jährige. Ob gemeinsam gekocht, das Essen bestellt oder dauerhaft geliefert werden soll, entscheiden die Mieter selbst. Die Mieter, das sind, soweit noch möglich, die Bewohner oder deren Angehörige oder rechtlichen Betreuer. Dimroth ist es wichtig, dass sie bewusst mit in die Gestaltung des Alltags in der Wohngemeinschaft einbezogen werden: „Für die Familien ist es oft nicht leicht, ihre Angehörigen abzugeben. Die Entlastung mischt sich häufig mit einem schlechten Gewissen. Uns ist es wichtig, dass sie in den Alltagsangelegenheiten entlastet werden, aber weiterhin Verantwortung für ihren an Demenz erkrankten Angehörigen übernehmen können.“

Zur Planung und Vorbereitung der Wohngemeinschaft hat sich eine Angehörigengruppe gebildet, die mit Unterstützung der Bürgerinitiative den Einzug der zukünftigen Bewohner vorbereitet. Dazu gehört auch die Auswahl eines passenden Pflegedienstes. „Im Gegensatz zu den in Marburg bestehenen Alten- und Pflegeheimen handelt es sich nicht um eine stationäre, sondern um eine ambulante Maßnahme.“ Das bedeutet: Die Pflege befindet sich nicht im Haus, sondern sie kommt ins Haus. „Es wird ein Vertrag über Pflege und Betreuung mit einem Pflegedienst geschlossen, der dann für alle Bewohner in der WG zuständig ist und die Pflege und Betreuung 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche individuell nach den Bedürfnissen des Einzelnen gestaltet“, so Dimroth.



Quelle: https://www.op-marburg.de/Lokales/Marburg/Demenz-WG-ab-Oktober-bezugsfertig


Hintergund
In Stadt und Landkreis gibt es vielfältige Betreuungs- und Pflegeangebote: ambulante Pflegedienste, die hilfe- und pflegebedürftigen Menschen durch Fachkräfte bei der Pflege und Betreuung versorgen, die Tagespflege, die ein auf die Tageszeit begrenztes Betreuungsangebot bietet, Kurzzeitpflege und vollstationäre Pflegeeinrichtungen, die den Betroffenen umfassende Pflege, Unterkunft und Betreuung bieten sowie betreute Altenwohnungen, die ein alternatives Wohnangebot darstellen und den Mietern eine selbständige Lebensführung ermöglichen. Darüber hinaus gibt es Demenz-Cafés oder Helferkreise (Quelle: www.pflegekompass.marburg-biedenkopf.de).


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